Tirol

DAS ZELTLAGER IN ABSAM

Die Zelte stehen noch, aktuell sind dort aber keine Menschen mehr untergebracht.

Eine Chronik

Am 25. Oktober wurden 16 Menschen im Zeltlager auf dem Grund der Polizeischule, vier Kilometer von Absam untergebracht. Die Zelte sind nicht dicht, es regnete rein. Den Menschen war permanent kalt und sie konnten nicht schlafen.  Noch am selben Tag gingen sie in einen Hungerstreik um eine bessere Unterbringung zu fordern:
„Wir sind vor dem Krieg geflohen um zu leben. Wir bitten lediglich um menschenwürdige Unterkünfte. „
Es gab keine Sanitäranlagen, kein fließendes Wasser, nur Dixie-Klos. Zwei Personen mussten mit Erkältungssymptomen ins Krankenhaus gebracht werden. Am 27. Oktober wurden die 16 Menschen dann in die Notschlafstelle Kufstein verlegt, welches die ganze Zeit über frei stand. 
Nur wenige Tage später, am 3. November, wurden erneut 30 Menschen bei Schneeregen in das Zeltlager gebracht. Immer noch kein warmes Wasser, nur trockenes Brot und undichte Zelte. Eine Person leidet an Epilepsie, Krampfanfällen und Schlaflosigkeit. Er hatte sich während eines Anfalls den Arm gebrochen. Obwohl er medizinische Betreuung gebraucht hätte, wurde er alleine gelassen. Er sagte:
„Wenn ich hier wegen eines epileptischen Anfalls sterbe, wo ist dann das nächste Krankenhaus? Wir sind Menschen, keine Tiere. Warum bringen sie uns hierher? Das einzige wonach wir suchen ist Menschlichkeit.“
Die ganze Zeit über bekamen die Menschen keine Auskunft darüber wie es weitergeht. Von dem zuständigen Polizisten wurde ihnen gesagt, dass es „egal sei wo sie hinkommen, sie seien hier in Österreich sowieso nicht erwünscht“. Am Tag darauf wurden die Menschen in eine Massenunterkunft nach Kufstein gebracht, wo sie bis zum 10. November blieben, als sie weiter aufgeteilt wurden – wiederrum an Orte, an denen sie sich nicht wohlfühlen und keine Rückzugsmöglichkeiten haben.

Interview mit einer Person, die im Zelt untergebracht war:
Fotos vom Protest in Absam gegen die unmenschlichen Zeltlager gemeinsam mit den Betroffenen:

DIE CONTAINER-DÖRFER

Diese sind erst im Aufbau. Momentan werden die Menschen in vielfältigen Provisorien untergebracht – und weiterhin fast wöchentlich von Ort zu Ort transferiert.

Im Raum Innsbruck und in Kufstein sollen zwei Container-Camps errichtet werden, wo Menschen halb-provisorisch (bis zum ersten Interview) untergebracht werden, ohne  Rückzugs- oder Ruhemöglichkeiten. Die Tiroler Landesregierung orientiert sich am Vorbild der Container-Siedlungen in anderen Bundesländern, in denen Menschen schon über einem Jahr in diesen schlecht beheizbaren, menschenunwürdigen Unterbringungen hausen müssen.
Im aktuellen Provisorium in Kufstein gibt es keine Küchen, keine Waschmaschinen und die Betten befinden sich alle im selben Raum. Mit wöchentlich 60.- Euro müssen sich die Bewohner selbst verpflegen – für warme Kleidung und anständige Mahlzeiten reicht das nicht aus.

Statements der Betroffenen

Einer der Menschen, die im Zeltlager waren, sagt:

Ich komme aus Palestina. Ich habe in Syrien 10 Jahre lang im Krieg gelebt und unter ihm gelitten. Ich habe mich entschieden nach Europa zu flüchten, wo – wie ich dachte – Humanität, Gleichheit und Menschenrechte gelten. Nach der Reise des Todes habe endlich Österreich erreicht, in dem Wissen, dass ich hier nicht bleiben werde – glaub mir. Die Polizei hat uns ein „nettes Willkommen“ bereitet, als sie uns eine Stunde im Regen und Matsch stehen lassen haben. Dann haben sie meine Fingerabdrücke gegen meinen Willen genommen und mich zum Flüchtlingsheim Frankenburg gebracht, wo ich dreieinhalb Monate blieb. Ich konnte nicht weiter, weil sie mich als staatenlos registriert haben, weil sie Palästina nicht als Staat anerkennen. Es war eine lange, schwierige Zeit dort, ohne Privatsphäre und Hygiene. Und nach all dem hat das BBU entschieden uns in die Zelte mitten im nirgendwo in den Bergen in Absam zu bringen. Ohne Essen, Trinken oder irgendeine Hilfe. Einer meiner Kollegen hat den Angestellten des BBU, der uns begrüßt hat, nach der UNICEF Telefonnummer gefragt, um sich über diese Behandlung und die Ungerechtigkeit zu beschweren. Was er am nächsten Morgen herausfand, war, dass die Nummer, die er bekommen hatte, die vom Tierschutzverein war. Kannst du dir vorstellen, dass so eine Person beim BBU angestellt ist? Einer Organisation, die für uns verantwortlich ist. Die gute Seite dieser Tragödie ist, dass wir Aktivist:innen kontaktiert haben, die direkt gekommen sind, Essen und Trinken gebracht haben und dafür gesorgt haben, dass unsere Stimme von den Medien gehört wurde. Wir wurden dann wegen ihrer Bemühungen in eine andere Einrichtung in Kufstein gebracht, aber unser Problem ist noch nicht vorbei. Wir leiden immer noch und hoffen, dass ihr auf unserer Seite steht in unserer Notlage. Am Ende sind wir auch Menschen, und wir glauben weiter an eure Menschlichkeit.

Ein weiterer Mensch, der im Zeltlager im Absam war, berichtet:
Wir mussten unser Heimatland aufgrund des Krieges verlassen und waren auf der Suche nach einem sicheren Ort, nach Freiheit und Humanität. Vor fünf Monaten erreichten wir Österreich und seitdem werden wir von Ort zu Ort gebracht. Der letzte Ort an dem wir für einige Monate gelebt haben war Frankenburg. Als es dann soweit war, dass wir von dort woanders hin gebracht werden sollten, dachten wir, dass wir endlich aus den Lagerhallen herauskommen und in richtigen Häusern leben können. Alles geschah innerhalb von zwei Stunden. Die BBU sagte uns, dass wir nach Innsbruck fahren würden. Doch das war nicht die Wahrheit. Stattdessen wurden wir überrascht von einem Lager aus Zelten inmitten eines dunklen und kalten Waldes. Keine Menschen weit und breit, nicht einmal Toiletten oder Duschen hatte dieser Ort. Es hat sie – die Polizei, die uns dorthin brachte und die BBU – nicht interessiert, dass wir wie Tiere leben sollten. Erst als unsere Freund*innen kamen und unsere miserable Situation gefilmt haben, hat die Öffentlichkeit davon erfahren. Die Zelte wurden schnell abgebaut und wir wurden transferiert. Doch auch dieser Ort war kaum besser. Nun sitzen wir erneut in einer grossen Lagerhalle ohne zu wissen, wann wir endlich ein richtiges Zuhause bekommen und dieses lange Leiden ein Ende nimmt. Niemand interessiert sich für uns. Wir fragen uns: Wenn wir doch genau so Menschen sind wie ihr, warum werden wir dann nicht gleich behandelt?